Mit Narges Mohammadi ist eine der ältesten politischen Gefangenen der Islamischen Republik Iran mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Ihre 17-jährigen Zwillinge, welche in Paris leben, haben den Preis für die Mutter entgegengenommen und eindrückliche Ansprachen gehalten. Der ganze Anlass war umrahmt von stilvoller persischer Musik.
Diese Preisverleihung ist eine große Geste der Anerkennung der Protestbewegung im Iran und hat symbolischen Wert in der Weltgemeinschaft und in der iranischen Gesellschaft. Es ist schön, dass das Nobelpreiskomitee die Iranerinnen und Iraner in ihrem Ringen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unterstützt. Die Auszeichnung hat aber auch sehr kontroverse Reaktionen in der iranischen Gesellschaft ausgelöst, was auf den ersten Blick erstaunt.
An der Nobelpreisverleihung wurde Narges Mohammadi als Anführerin der Women-Life-Freedom-Bewegung vorgestellt. Dieser Aspekt wurde am heftigsten kontrovers diskutiert. Die Kritiker führen an, dass ihr Name als Anführerin bei keiner Demonstration erwähnt wurde. Unsere Recherche bestätigt dies.
Die Rede von Narges Mohammadis Ehemann Taqi Rahmani gegen die Sanktionen der EU und gegen die Verteidigung Israels nach dem Hamas Angriff haben ebenfalls Wellen geschlagen. Weitere Aussagen von ihm, die dem Gedankengut der Reformer entsprechen, haben bei den Familien der vom Regime Getöteten wie Navid Afkari und Nika Shakarami zu einer Protesterklärung geführt.
Seit 2016 kursiert der Slogan der aufbegehrenden Bevölkerung “Ob Konservativer oder Reformer eure Zeit ist vorbei.” In diesem Kontext stellt sich die Frage, wo Narges Mohammadi selber steht. Glaubt sie auch an Reformen in dieser staatlichen Struktur. Wohl kaum nach all ihren hautnahen Erlebnissen in der Islamischen Republik.
In der Partei der Reformer, scheinen immer noch einige an die Reformierbarkeit des Regimes zu glauben. In der Bevölkerung werden die Reformer als Bewahrer bezeichnet, welche die Funktion eines Sicherheitsventils haben, damit das Fass nicht überläuft. Oberflächliche Reformmaßnahmen sollen die Islamische Republik und den Glauben an ihre Struktur am Leben erhalten.
Der politische Diskurs ist Ausdruck der notwendigen Diskussion im Iran und in der Diaspora, um das heute vom radikalen Islam geprägte politische System im Iran und die Scharia in der Gesetzgebung zu überwinden.
Die Nobelpreisverleihung hat die Meinungsverschiedenheiten der Oppositionskräfte im Iran und den Umgang damit einmal mehr aufgezeigt. Hier sind neue Strategien und Umgangsformen gefragt, um das Potenzial solcher Ereignisse wie die Nobelpreisverleihung zu nutzen und eine Demokratie im Iran aufzubauen.